Vereinfachtes Ertragswertverfahren
Das Vereinfachte Ertragswertverfahren (VEWV) dient der steuerlichen Bewertung von Unternehmen und Anteilen im Rahmen von Erbschaft und Schenkung. Es basiert auf gesetzlich normierten Parametern und ermöglicht eine standardisierte Wertermittlung auf Grundlage vergangenheitsbezogener Ertragskennzahlen. Das Verfahren ist insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen relevant und zeichnet sich durch seine einfache Anwendbarkeit und Rechtssicherheit aus – hat jedoch auch klare methodische Grenzen.
Allgemeines
Das Vereinfachte Ertragswertverfahren (VEWV) ist ein gesetzlich normiertes Verfahren zur Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften, Einzelunternehmen und Personengesellschaften für steuerliche Zwecke, insbesondere im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Es dient der Ermittlung des gemeinen Werts (§ 11 Abs. 2 BewG) und basiert auf der Kapitalisierung nachhaltig erzielbarer Jahreserträge mit einem gesetzlich festgelegten Kapitalisierungsfaktor.
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Das Verfahren wurde mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1. Januar 2009 eingeführt, um die bis dahin geltende Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren abzulösen, das vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde.
Gesetzliche Basis und rechtsprechung
Die rechtlichen Grundlagen des VEWV finden sich in den §§ 199 bis 203 des Bewertungsgesetzes (BewG):
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§ 199 BewG: Regelt die Anwendungsvoraussetzungen des VEWV.
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§ 200 BewG: Definiert die Berechnung des Ertragswerts durch Multiplikation des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags mit dem Kapitalisierungsfaktor.
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§ 201 BewG: Beschreibt die Ermittlung des Jahresertrags.
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§ 202 BewG: Legt die Bereinigung des Betriebsergebnisses fest.
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§ 203 BewG: Bestimmt den Kapitalisierungsfaktor.
Gemäß § 199 Abs. 1 BewG kann das VEWV angewendet werden, wenn es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 12. Juni 2019 (Az. X R 38/17) klargestellt, dass dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zur Anwendung des VEWV zusteht, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Methodik und Berechnung
Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags
Der nachhaltig erzielbare Jahresertrag wird als Durchschnitt der bereinigten Betriebsergebnisse der letzten drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre ermittelt. Dabei sind außerordentliche und einmalige Erträge oder Aufwendungen sowie nicht betriebsnotwendige Vermögenswerte zu eliminieren. Zudem ist ein kalkulatorischer Unternehmerlohn zu berücksichtigen, sofern dieser nicht bereits im Betriebsergebnis enthalten ist.
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Kapitalisierungsfaktor
Der Kapitalisierungsfaktor ist gesetzlich festgelegt und beträgt gemäß § 203 Abs. 1 BewG 13,75. Dies entspricht einem Kapitalisierungszinssatz von etwa 7,27%
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Hinzurechnung weiterer Vermögenswerte
Neben dem Ertragswert sind gemäß § 200 Abs. 2 bis 4 BewG folgende Vermögenswerte gesondert zu bewerten und hinzuzurechnen:
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Nicht betriebsnotwendiges Vermögen
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Beteiligungen an anderen Gesellschaften, sofern deren Erträge nicht im Jahresertrag enthalten sind
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Innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Bewertungsstichtag eingelegte Wirtschaftsgüter
Anwendungs-bereiche und Grenzen
Das VEWV findet Anwendung bei der steuerlichen Bewertung von Unternehmensanteilen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie bei unentgeltlichen Übertragungen. Es bietet eine standardisierte und vereinfachte Methode zur Wertermittlung, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen.
Allerdings ist das Verfahren nicht geeignet, wenn es zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, beispielsweise bei stark schwankenden Erträgen, strukturellen Veränderungen im Unternehmen oder besonderen Branchenrisiken. In solchen Fällen ist eine individuelle Bewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, etwa gemäß IDW S1, vorzunehmen.
Zusammenfassung
Das Vereinfachte Ertragswertverfahren stellt ein gesetzlich normiertes und praxisorientiertes Verfahren zur steuerlichen Unternehmensbewertung dar. Es ermöglicht eine effiziente Wertermittlung auf Basis historischer Ertragsdaten und eines festen Kapitalisierungsfaktors. Gleichwohl sind die Anwendungsgrenzen des Verfahrens zu beachten, insbesondere bei atypischen Unternehmensentwicklungen oder besonderen Bewertungsanlässen.
Für eine fundierte Bewertung und zur Vermeidung von steuerlichen Nachteilen empfiehlt sich die Konsultation von Experten, insbesondere bei komplexen Unternehmensstrukturen oder Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit des VEWV.