Unternehmensbewertung auf Basis des Substanzwerts
Das Substanzwertverfahren ist ein rein vermögensbezogener Bewertungsansatz, bei dem der Unternehmenswert aus der Summe der Einzelwerte aller Vermögensgegenstände abzüglich Schulden ermittelt wird. Anders als ertragsorientierte Methoden berücksichtigt der Substanzwert allein die Reproduzierbarkeit des Unternehmensvermögens – unabhängig von dessen Ertragskraft. Besonders relevant ist dieser Ansatz, wenn im Gesellschaftsvertrag eine Buchwert- oder Substanzwertklausel vereinbart ist oder das Unternehmen stillgelegt werden soll.
Allgemeines
Der Substanzwert beschreibt den Wert des Unternehmensvermögens unter der Prämisse, dass alle Wirtschaftsgüter isoliert bewertet werden – typischerweise mit dem Ziel der Wiederbeschaffung. Bewertet werden sowohl das Anlage- als auch das Umlaufvermögen, wobei stille Reserven aufzudecken sind. Verbindlichkeiten werden mit dem Rückzahlungsbetrag angesetzt. Der so ermittelte Reinvermögenswert stellt den sogenannten „Substanzwert“ dar.
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In der Praxis hat dieses Verfahren eine untergeordnete Bedeutung, wenn das Unternehmen fortgeführt wird. Denn die zukünftige Ertragskraft – und damit der eigentliche Unternehmenswert – bleibt bei dieser Methodik unberücksichtigt. In bestimmten Konstellationen ist der Substanzwert jedoch dennoch entscheidungsrelevant.
Anwendungsbereiche
Relevanz entfaltet das Substanzwertverfahren in zwei zentralen Fallgruppen:
Erstens: Wenn ein Unternehmen nicht fortgeführt wird (z. B. Liquidation, Stilllegung), dient der Substanzwert als Ausgangspunkt für die Ermittlung des Liquidationswerts – gegebenenfalls unter Abzug von Abwicklungskosten und unter Berücksichtigung marktgängiger Veräußerungswerte.
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Zweitens: Wenn der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich eine Bewertung nach dem Buchwert oder Substanzwert vorsieht. Solche Klauseln finden sich insbesondere in älteren Satzungen von Familiengesellschaften oder bei Personengesellschaften, bei denen Gesellschafterwechsel auf Grundlage des steuerlichen oder handelsrechtlichen Buchwerts erfolgen sollen. In diesen Fällen kommt der Substanzwert nicht aus betriebswirtschaftlicher, sondern aus gesellschaftsrechtlicher Logik zur Anwendung – er stellt keine Bewertung des Unternehmens im engeren Sinn dar, sondern eine vertraglich vereinbarte Abfindungsgrundlage.
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Die Bewertung erfolgt hier regelmäßig auf Basis des letzten handelsrechtlichen Jahresabschlusses – je nach Klauselausgestaltung entweder zu Buchwerten, zu Zeitwerten oder unter Aufdeckung stiller Reserven. Fraglich ist häufig, ob die Klausel im Einzelfall Bestand hat oder als sittenwidrig (§ 138 BGB) bzw. überraschend (§ 305c BGB) zu qualifizieren ist. Gerade bei groben Wertabweichungen zwischen Substanz- und Ertragswert kann dies streitanfällig sein.
Grenzen und kritische Würdigung
Die Hauptschwäche des Substanzwertverfahrens liegt in der Vernachlässigung der zukünftigen Ertragskraft – also jenes Faktors, der den Wert eines Unternehmens in der Regel maßgeblich bestimmt. Selbst bei hoher Substanz kann ein Unternehmen dauerhaft defizitär sein; umgekehrt erzielen kapitalarme Unternehmen (z. B. digitale Geschäftsmodelle) mitunter sehr hohe Bewertungsansätze im Rahmen ertragsorientierter Verfahren.
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Zudem ist die Bewertung des nicht bilanzierten Vermögens (z. B. immaterielle Assets, Goodwill, Kundenstamm, Know-how) im Substanzwertverfahren per Definition ausgeschlossen. Diese methodische Beschränkung macht den Substanzwert in vielen Fällen wirtschaftlich irrelevant.
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Als reines Bewertungsverfahren ist der Substanzwert daher nur ausnahmsweise sinnvoll – entweder bei beabsichtigter Liquidation oder wenn vertragliche Regelungen (z. B. Buchwertklauseln) keine ertragswertbasierte Bewertung zulassen.
Zusammenfassung
Das Substanzwertverfahren bildet ausschließlich die Vermögenssubstanz eines Unternehmens ab und verzichtet vollständig auf eine Ertragsbetrachtung. In der Bewertungspraxis ist es nur in klar abgegrenzten Fällen gerechtfertigt: etwa bei Unternehmensstilllegungen oder dann, wenn vertraglich explizit auf Buch- oder Substanzwertklauseln abgestellt wird. Für laufende Unternehmen mit positiver Zukunftsperspektive ist das Verfahren aus betriebswirtschaftlicher Sicht unzureichend. Seine Anwendung sollte daher stets kritisch hinterfragt und – sofern möglich – mit ertragsorientierten Methoden ergänzt werden.
