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Unternehmensbewertung im Venture-Capital-Umfeld

Startups und junge Wachstumsunternehmen lassen sich mit klassischen Bewertungsverfahren – etwa dem Ertragswert- oder DCF-Modell – häufig nur eingeschränkt abbilden. Fehlende Historie, hohe Verlustrisiken und nicht greifbare immaterielle Assets erschweren eine fundierte Prognose. Für Investoren im Venture-Capital-Segment hat sich daher eine eigene Methodik etabliert: die sogenannte Venture-Capital-Methode. Sie basiert auf dem Exit-orientierten Denkmodell institutioneller Investoren und fokussiert nicht auf den Unternehmenswert im engeren betriebswirtschaftlichen Sinn, sondern auf die Kapitalrendite der Beteiligung.

Allgemeines

Startup-Bewertungen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen hohem Wachstumsversprechen und extremen Ausfallrisiken. Klassische Verfahren wie das DCF- oder Ertragswertverfahren greifen hier oft zu kurz, weil sie auf langfristig stabilisierte Cashflows, bewährte Geschäftsmodelle und verlässliche Marktpositionen angewiesen sind – alles Aspekte, die bei jungen Unternehmen nicht gegeben sind.

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Venture-Capital-Gesellschaften, Angel-Investoren und Frühphasenfonds verwenden daher pragmatischere Bewertungsansätze, die weniger auf exakte Kapitalwertberechnungen als auf ökonomische Erwartungshaltungen ausgerichtet sind. Ziel ist nicht die Ableitung eines betriebswirtschaftlich objektivierten Unternehmenswerts, sondern die Festlegung eines wirtschaftlich vertretbaren Einstiegspreises unter Renditegesichtspunkten.

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Diese Bewertungslogik ist stark zukunftsgerichtet, investorenzentriert und in hohem Maße verhandlungsbasiert. Bewertet wird das Potenzial eines Unternehmens unter der Annahme, dass es bei erfolgreicher Skalierung in mehreren Jahren verkauft oder an die Börse gebracht wird – häufig unter Nutzung von Multiple-Schätzungen aus vergleichbaren Exits.

1Besonderheiten der Startup-Bewertung

Die Bewertung von Startups erfolgt unter gänzlich anderen Prämissen als die klassischer Unternehmen. Das Geschäftsmodell ist häufig noch nicht profitabel, Märkte sind unreif, und die zukünftige Entwicklung ist mit extremen Unsicherheiten behaftet. Bewertet wird daher weniger das „Ist“, sondern vor allem das „künftige Potenzial“ – basierend auf Annahmen über Skalierbarkeit, Marktdurchdringung, technische Umsetzbarkeit und Exit-Fähigkeit.

Investoren kalkulieren nicht mit nachhaltigen Jahreserträgen, sondern mit möglichen Verkaufserlösen beim Exit, typischerweise nach fünf bis sieben Jahren. Ausgehend von diesem erwarteten Exit-Wert wird rückwärts der heutige Unternehmenswert ermittelt, der den Einstiegspreis bestimmt – eine Denkweise, die fundamental von klassischen Bewertungsansätzen abweicht.

Die Venture-Capital-Methode im Überblick

Die Venture-Capital-Methode verläuft in zwei Schritten: Zunächst wird der potenzielle Unternehmenswert zum Zeitpunkt eines erwarteten Exits in der Zukunft bestimmt. Dazu werden Umsatz- oder Ergebnisgrößen der Planjahre mit marktüblichen Multiplikatoren vergleichbarer Exits kombiniert. Die Prognose stützt sich zumeist auf ein realistisches Exit-Szenario in fünf bis sieben Jahren.

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Im zweiten Schritt wird dieser zukünftige Wert auf den heutigen Bewertungsstichtag abgezinst – und zwar nicht mit einem üblichen Kapitalisierungszinssatz, sondern mit der geforderten Zielrendite des Investors (z. B. 40 % p.a. oder mehr). So ergibt sich ein maximal akzeptabler heutiger Unternehmenswert („Post-Money-Value“), aus dem unter Berücksichtigung der geplanten Finanzierung der Pre-Money-Wert abgeleitet wird.

 

In der Praxis wird das Ergebnis regelmäßig durch Faktoren wie Verwässerung, Liquidation Preferences, Meilenstein-Finanzierungen oder Wandeldarlehen modifiziert. Die tatsächliche Bewertung ist daher nur selten das Produkt eines linearen Rechenmodells, sondern Ausdruck eines Kapitalverhandlungsprozesses auf Basis der Investorenlogik.

​Stärken und Grenzen

Die Stärke der Venture-Capital-Methode liegt in ihrer Einfachheit, Investorenlogik und starken Praxisnähe. Sie bildet ab, wie professionelle Frühphaseninvestoren tatsächlich denken: rückwärts aus dem Exit, nicht vorwärts aus der Planung. Gerade in Phasen ohne belastbare KPIs oder Cashflows ist das ein sachgerechter Zugang.

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Grenzen bestehen dort, wo die Methode fälschlich als betriebswirtschaftlich fundiertes Bewertungsverfahren missverstanden wird. Die Ergebnisse sind stark abhängig von Exitannahmen, Multiples, Haltedauer und Renditezielen – allesamt Parameter, die hohen Unsicherheiten unterliegen. Als Basis für gerichtsfeste, steuerlich belastbare oder transaktionsunabhängige Bewertungen ist die Methode ungeeignet.

Zusammenfassung

Die Venture-Capital-Methode ist ein investorengetriebenes Bewertungsverfahren zur Preisfindung bei Startup-Finanzierungen. Sie berechnet den heutigen Wert aus dem erwarteten Exit-Erlös, diskontiert mit der angestrebten Zielrendite. Das Verfahren ist nicht objektiviert, nicht standardisiert und nicht rechtssicher – aber in der Frühphasenpraxis etabliert, nachvollziehbar und bei professioneller Anwendung hochfunktional. Ihre Aussagekraft hängt direkt an der Plausibilität der Exit-Erwartung und der Professionalität der Verhandlungsführung.

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