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Unternehmensbewertung mittels Multiplikatoren

Die Bewertung auf Basis von Multiplikatoren ist ein praxisnahes, marktorientiertes Verfahren, das sich insbesondere bei Unternehmensverkäufen etabliert hat. Anders als kapitalwertbasierte Verfahren wie DCF oder das Ertragswertverfahren, leitet die Multiplikatorenmethode den Unternehmenswert aus vergleichbaren Marktpreisen ab – typischerweise durch Anwendung von Kennzahlenrelationen wie EV/EBITDA oder EV/Umsatz auf das Bewertungsobjekt. Die Methode ist schnell umsetzbar, aber konzeptionell einfach und ohne objektivierende Fundierung.

Allgemeines

Im Zentrum der Multiplikatorenmethode steht der Vergleich: Unternehmen werden auf Basis beobachtbarer Marktdaten bewertet – etwa auf Grundlage von Börsenkennzahlen ähnlicher Unternehmen (sog. „Trading Multiples“) oder anhand realisierter Transaktionspreise („Transaction Multiples“). Diese Marktkennziffern, auch als „Multiples“ bezeichnet, werden mit den entsprechenden Kennzahlen des Zielunternehmens multipliziert. So lässt sich eine erste Bewertungsspanne ableiten, die häufig zur internen Preisindikation oder zur Validierung anderer Bewertungsansätze dient.

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Entscheidend ist dabei nicht nur die Höhe der Multiplikatoren, sondern auch die Auswahl geeigneter Vergleichsunternehmen. Unterschiede in Geschäftsmodell, Größe, Rentabilität, Wachstumsdynamik oder Kapitalstruktur können ansonsten zu irreführenden Ergebnissen führen.

Bewertungskontext und rechtliche Einordnung

Die Methode ist in Deutschland weder gesetzlich kodifiziert noch im Bewertungsgesetz (BewG) verankert. Sie eignet sich daher nicht für steuerliche oder gerichtliche Bewertungsanlässe, bei denen der gemeine Wert gemäß § 11 BewG oder ein objektivierter Unternehmenswert verlangt wird. Auch in der Rechtsprechung wird sie – wenn überhaupt – nur als ergänzende Größe anerkannt, etwa zur Plausibilisierung eines Ertragswertes.

In der Praxis ist sie dennoch weit verbreitet: insbesondere bei M&A-Transaktionen, in Verhandlungsphasen, zur Initialbewertung im Rahmen von Finanzierungsrunden oder zur preislichen Einordnung bei Venture Capital-Investments. Sie liefert in diesen Fällen eine erste Orientierung – jedoch keine fundierte Wertbegründung im engeren betriebswirtschaftlichen Sinn.

Methodik

Die konkrete Anwendung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird definiert, welche betriebswirtschaftliche Kennzahl die Bewertungsbasis bildet – typischerweise EBITDA, EBIT oder Umsatz. Anschließend erfolgt die Auswahl einer Vergleichsgruppe, wobei Branchenzugehörigkeit, Geschäftsmodell, Ertragslage und Größe wesentliche Vergleichskriterien darstellen.

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Die aus Marktquellen abgeleiteten Multiples werden anschließend auf das Zielunternehmen übertragen. Dabei ist entscheidend, ob auf vergangenheitsbezogene Ist-Zahlen oder auf Planwerte abgestellt wird – denn daraus ergeben sich erhebliche Wertabweichungen. Die Ergebnisse werden häufig in Form von Bandbreiten dargestellt. Einzelfalljustierungen – etwa bei bilanzpolitischen Abweichungen, Sondereffekten oder Unternehmensbesonderheiten – sind üblich, aber methodisch unscharf.

Stärken, Grenzen und Einordnung in die Bewertungspraxis

Die große Stärke der Multiplikatorenmethode liegt in ihrer Marktnähe und Einfachheit. Gerade in frühen Transaktionsphasen oder zur internen Orientierung lassen sich mit geringem Aufwand plausible Wertkorridore ableiten. Die Methode reflektiert zudem – anders als rein modellbasierte Verfahren – tatsächlich gezahlte Marktpreise.

Ihr größter Nachteil liegt in ihrer Vergleichsabhängigkeit: Wenn keine geeigneten Peer-Unternehmen vorliegen, keine verlässlichen Transaktionsdaten existieren oder die Vergleichbarkeit nur scheinbar gegeben ist, verliert das Verfahren seine Aussagekraft. Zudem fehlt die methodische Fundierung zur Beurteilung individueller unternehmensspezifischer Chancen und Risiken.

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Im Rahmen professioneller Bewertungsprozesse kommt die Multiplikatorenmethode daher vor allem ergänzend zum Einsatz – etwa zur Plausibilisierung eines DCF- oder Ertragswerts. Als eigenständige Hauptmethode ist sie in Bewertungsanlässen mit rechtlicher oder steuerlicher Relevanz ungeeignet.

Zusammenfassung

Die Multiplikatorenmethode ist ein bewährtes Verfahren der Marktpraxis, liefert aber keine objektivierte Unternehmensbewertung. Sie kann sinnvoll sein, um Wertbandbreiten abzuleiten oder Preisvorstellungen zu plausibilisieren – insbesondere in Transaktions- oder Investitionsprozessen. Ihre Anwendbarkeit hängt maßgeblich von der Qualität der Vergleichsdaten und der Homogenität der Peer Group ab. Für rechtssichere, dokumentationspflichtige oder streitanfällige Bewertungen ist sie hingegen nicht belastbar.

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